Kreisarchiv Calw

Kreisarchiv Calw

Interview mit Martin Frieß, Leiter des Kreisarchivs Calw

Bitte stellen Sie sich und das Kreisarchiv Calw vor.

Das Kreisarchiv gibt es seit 1965. In dem Jahr wurde erstmals ein hauptamtlicher Archivar, damals ein Lehrer, eingestellt. Seit 2002 arbeiten ausschließlich Facharchivare hier und seit 2009 bin ich da. Es ist ein spannendes und abwechslungsreiches Aufgabengebiet, mit dem ich es hier zu tun habe. Seit 3 Jahren bin ich auch als Ausbilder für FAMI tätig.

Das Kreisarchiv ist das Archiv des Landratsamts Calw sowie des Landkreises inkl. der angeschlossenen Einrichtungen. Es gibt auch Außenstellen des Landkreises, mit denen wir zusammenarbeiten. Zusätzlich zu archivwürdigem Schriftgut werden heute auch Fotos, Bilder und elektronische Dateien übernommen. Im Prinzip spricht man heute nur noch von „Unterlagen“, weil es eben nicht nur Schriftgut ist. Umfangreiche Sammlungsbestände, die das gesellschaftliche Leben dokumentieren, runden unsere Bestände ab.

Welche Erfahrungen haben Sie in der Vergangenheit mit dem Thema „Digitalisierung“ gemacht?

Das Thema Digitalisierung ist nicht erst seit 2-3 Jahren auf der Agenda der Archivare. Wobei die Dringlichkeit in den letzten Jahren enorm zugenommen hat und sich eine ungeheure Dynamik entwickelt hat. Von dieser profitieren wir auch.

Ich selbst bin digital affin und sammle privat Texte und Fotos digital und betreibe auch Familienforschung. Von daher gibt es einen privaten Hang zur digitalen Welt.

Unsere Nutzer haben immer größere Erwartungen an uns bzw. die Digitalisierung geäußert. Am Anfang haben wir wenige, ausgewählte Archivalien digitalisiert und ins Netz gestellt, um beispielhaft zu zeigen, was wir so im Bestand haben. Das haben wir dann selbst mit Flachbettscannern eingescannt und unsere EDV hat dies als PDF online gestellt. Es sollte „Appetit“ auf das Archiv und die Schätze im Bestand machen. Aber dieses Vorgehen reichte nicht mehr aus.

Welche Aufgaben, Anforderungen und Probleme haben dazu geführt, dass Sie sich nach einer professionellen Lösung zur Präsentation und Speicherung Ihrer Digitalisate umgeschaut haben?

Außer den steigenden Nutzeranforderungen, war auch die Sicherung und Schonung der Originale ein großes Thema. Häufig benutzte Bestände, wie z. B. die Zeitungen, können digital angeboten werden, und somit kann das Original im Magazin verbleiben und ist geschützt.

Die Frage war, welches Konzept wir verfolgen wollen. In 2013 haben wir ein Digitalisierungskonzept erstellen lassen. Der Landkreis arbeitet mit der Hochschule in Pforzheim zusammen, und dortige Studenten haben dieses Konzept erstellt. Dieses wurde dann noch etwas modifiziert, und dann wurde offiziell entschieden, es auch umzusetzen.

Es war schnell klar, dass wir eine professionelle Lösung für die Präsentation der Digitalisate haben wollen. Man muss das Rad schließlich nicht neu erfinden, von daher haben wir nach vorhandenen Lösungen geschaut und uns z. B. auch das Portal der Badischen Landesbibliothek (BLB) angeschaut. Die BLB macht auch viel mit Zeitungen und war daher für uns eine tolle Referenz, weil auch wir die Priorität auf Zeitungen setzen wollen. Wir wollten nicht weniger professionell an dieses Thema herangehen.

Warum hat sich das Archiv für Visual Library und die Hostinglösung im Hochschulbibliothekszentrum Köln (HBZ) entschieden?

In 2014 begann bereits die Suche nach einem externen Dienstleister bzw. einer externen Lösung. Erst haben wir versucht, dies mit der eigenen EDV umzusetzen. Aber das kam aus Sicherheitsgründen nicht in Frage. Heute sind wir sehr froh, dass wir die Lösung mit dem HBZ haben, weil dort eine auf das Hosting ausgelegte und professionelle Dienstleistung angeboten wird. Natürlich muss man das Problem lösen, wie der Datentransfer bei großen Datenmengen von uns dorthin stattfinden kann.

Wir haben uns dann umgeschaut, was andere Einrichtungen einsetzen und wie diese das Thema lösen. Über das Portal der Badischen Landesbibliothek sind wir auf Visual Library gestoßen. Schnell haben wir gesehen, dass die Software auch für unsere Archivbestände sehr gut geeignet ist.

Bei der Suche hat sich herausgestellt, dass nur 2 Anbieter bzw. 2 Lösungen in Frage kommen. In 2015 haben wir dann die Entscheidung für Visual Library und für das Hostingangebot des Hochschulbibliothekszentrum Köln (HBZ) getroffen.

Uns hat besonders die ansprechende Präsentation im Internet gefallen, die sehr einfach und leicht zu bedienen ist. Zudem sind die vielen Suchmöglichkeiten z. B. thematisch, chronologisch oder nach Schlagworten genauso toll wie die die Suche in den Volltexten.

Daneben war das Preis-Leistungs-Verhältnis optimal, auch wenn das Angebot nicht das günstigste gewesen ist. Aber das sollte nicht immer ausschlaggebend sein.

Welches Feedback haben Sie bzw. hat das Archiv nach der Onlinestellung des Portals erhalten?

Da ich lange Zeit im Verborgenen daran gearbeitet habe, war es mir persönlich wichtig, dass die Onlinestellung sich nicht verzögert. Im Juli 2018 war es dann soweit und das Portal wurde offiziell freigeschaltet.

Es gab seitdem sehr viele und ausschließlich positive Rückmeldungen, die zum Teil schon an Begeisterung gegrenzt haben. Manche Leute schauen da regelmäßig drauf und lesen z. B. vor dem Schlafengehen noch in den alten Zeitungen.

Sowohl aus der archivarischen als auch der bibliothekarischen Fachwelt kam ebenfalls positives Feedback. Ich habe es in beiden Fachkreisen auf Tagungen vorgestellt und es gab große Zustimmung. Manche Kollegen haben sich auch angespornt gefühlt, etwas Ähnliches aufzusetzen.

Unsere Nutzer sind sehr begeistert. Die hatten wir von Anfang an im Blick, also z. B. die Historiker, Wissenschaftler, historisch interessierte Bürger usw. Das Angebot steht 24 Stunden am Tag zur Verfügung. Deshalb sind unsere Kunden nicht mehr ausschließlich an die Öffnungszeiten des Archivs gebunden. Ebenso wie die Mitarbeiter im Landratsamt selbst, die nun das Portal nutzen. Damit Durchsuchen sie z. B. die Kreistagsprotokolle.

Auch unser „Geldgeber“ ist mit uns voll auf einer Linie. Hier in Calw ist das Thema Digitalisierung positiv besetzt und das Online-Portal passt auch in das Digitalisierungskonzept des Landratsamts. Mit der Onlinestellung gibt es nun einen vorzeigbaren Gegenwert zu den Finanzmitteln.

Wie sieht Ihre Planung im Bereich der Digitalisierung aus?

Derzeit sind ca. 100.000 Digitalisate im Portal und die Anzahl wird kontinuierlich gesteigert. Klar ist, dass nun bestimmte Erwartungen bei den Nutzern geweckt sind, das Angebot auszubauen und zu erweitern.

Wir werden das Portal nicht nur mengenmäßig erweitern, sondern auch mit neuen Archivalientypen wie Fotos, Grafiken usw. bestücken. Besondere Stücke wie unsere Urkunden sollen nicht nur gescannt, sondern auch transkribiert werden, damit diese lesbar und durchsuchbar gemacht werden. Dies zu erstellen und aufzubereiten ist natürlich ein großer Aufwand, aber wir sind schon in der Planung und auf einem guten Weg.

Erwähnen möchte ich noch, dass die Digitalisierung einen weiteren, sehr positiven Effekt hat. Wir sind bei der Erschließung der Metadaten sehr gut vorangekommen, weil wir gezwungen waren dies nun anzupacken. Die Kreistagsprotokolle oder die Zeitungen waren archivarisch nicht erschlossen, aber für die Digitalisierung musste dies geschehen. Denn ohne Metadaten macht eine Digitalisierung keinen Sinn. Nur in dieser Reihenfolge kann es gehen.

Das Internetportal des Kreisarchivs Calw können Sie über folgenden Link aufrufen: https://digital.kreisarchiv-calw.de/

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