Germanisches Nationalmuseum
Interview mit Dr. Frank P. Bär, Leiter der Fotostelle Germanisches Nationalmuseum
Stellen Sie sich und das Museum doch bitte kurz vor.
Mein Name ist Dr. Frank P. Bär. Ich leite im Germanischen Nationalmuseum die Musikinstrumentensammlung, den Programmbereich Forschungsservice und die Fotostelle. Das Germanische Nationalmuseum ist das größte Museum, das sich mit der Kulturgeschichte des deutschsprachigen Raums beschäftigt. Gegründet wurde es 1852, und heute umfassen die Sammlungen etwa 1,4 Millionen Objekte einschließlich der Bibliothek. Hinzu kommen noch Archive mit hunderten von Regalmetern. Zeitlich reichen unsere Sammlungen von der Vor- und Frühgeschichte bis in die Gegenwart und umfassen so ziemlich alles, was uns Auskunft über unsere Kultur geben kann.
Mit welcher Technik haben Sie bisher digitalisiert?
Digitalisierung hat ja zwei große Aspekte. Der eine sind die Metadaten oder, für uns, die Forschungsdaten zu den Objekten. Diese werden von Hand eingegeben. Aber da es um den Scanner geht, interessieren Sie sich wahrscheinlich eher für Bilddigitalisierung. Das Abbildungsverfahren, in dem wir seit Jahrzehnten stark sind, ist die Fotografie. Mit dem Umstieg von der analogen zur digitalen Fotografie wurde daraus die erste Digitalisierung. Die damals verfügbaren Flachbettscanner wurden zunächst aus konservatorischen Gründen nicht eingesetzt. Mit dem Aufkommen moderner Scanlösungen wurden dann die Bibliothek und die Archive entsprechend ausgestattet. Für unsere rund 150.000 Objekte umfassende Sammlung von Münzen und Medaillen haben wir eine spezielle Fotostation angeschafft. Ektachrome und Glasplatten werden auf einem Durchlichtscanner digitalisiert. Die sogenannte „Flachware“ – u.a. rund 350.000 Grafiken – wurde jedoch weiterhin im Fotoatelier mit Mittelformatkameras aufgenommen. Hier war die Qualität zwar exzellent, doch bei der Geschwindigkeit war trotz allen Fleißes unserer Fotografen noch Luft nach oben. Was mich aber am meisten störte, war die Tatsache, dass unsere Fotografenmeister letztlich mit recht großem Aufwand das reproduzierten, was eine moderne Maschine genauso gut kann. Mir war es wichtig, dass sie ihre Fachkenntnis bei dreidimensionalen Objekten einsetzen, wo das Auge eines geschulten Fotografen durch keine Maschine zu ersetzen ist. Nach einer langen Marktanalyse, Informationsveranstaltungen, Schulungen und Besuchen in anderen Institutionen und bei Herstellern haben wir uns dann für den i2s SupraScan 2A0 entschieden und einen eigenen Raum dafür eingerichtet.
Welche Vorteile bringt Ihnen der neue Großformatscanner für Ihre Arbeit?
Zunächst ist da die Geschwindigkeit zusammen mit der Größe des Scanfeldes. Wir können hier mehrere Grafiken zugleich auflegen. Nach dem Scanvorgang, der weniger als eine Minute dauert, können dann die einzelnen Bilder sehr schnell abgespeichert werden. Ein anderer Vorteil ist die gleichbleibende Qualität, die wir durch das Mitscannen von Munsell-Graukeilen dokumentieren. Anders als bei Aufbauten im Fotoatelier ist der Scanner morgens nach ein paar Minuten einsatzbereit, und die Arbeit kann gleich starten. Schließlich haben wir nach der Einrichtung entsprechender Workflows die Arbeit am Gerät so weit standardisiert, dass die Arbeit von einer Kollegin und einem Kollegen getan werden kann, die nicht aus der Welt der Fotografie kommen.
Welche Erfahrungen haben Sie bisher mit dem Großformatscanner gemacht?
Das Gerät läuft, von einem singulären Problem abgesehen, das auf ein großes Windows-Update zurückzuführen war, tadellos. Die beiden Scanoperatoren sind mit großem Engagement bei der Arbeit, und mit Qualität und Durchsatz sind unsere Graphische Sammlung und nicht zuletzt auch ich sehr zufrieden. Einige wenige Male hat sich auch der riesige Scantisch mit seiner Länge von 1,8 m als zu klein erwiesen: Da mussten wir eine sehr lange, gefaltete Grafik digitalisieren. Wir haben sie dann in zwei Teilen gescannt. Dadurch, dass der Scanner ohne Verzerrung arbeitet, war das automatische Stitchen in einem Fotobearbeitungsprogramm schnell erledigt.
Welche Pläne existieren im Bereich der Digitalisierung für die Zukunft?
Der Großformatscanner war der letzte Baustein unserer materiellen Digitalisierungs-Infrastruktur. Wir sind jetzt für die gesamte Palette an Objekten, die unsere Sammlungen bereithalten, ausgerüstet. Trotz aller Geschwindigkeitssteigerungen möchten wir den Gesamtbestand des Museums aber nicht erst in 50 Jahren im Internet haben, sondern so bald wie möglich. Wir haben deshalb während der Corona-bedingten Museumsschließung im Frühjahr als Pilotprojekt drei mobile Digitalisierungsstationen entwickelt, an denen auch nicht-professionelle Fotografen Fotos in einer ordentlichen Qualität für den Bildnachweis von Objekten herstellen können. Das Projekt war so erfolgreich, dass wir es verstetigen werden. Damit bekommt unsere Digitalisierung einen zusätzlichen Schub.
Außerdem experimentieren wir im Bereich von sehr hoch aufgelöster 3D-Digitalisierung. Da optimieren wir noch, aber das, was wir demnächst im Internet zeigen werden, kann sich sehr gut sehen lassen.