Verband Deutscher Vereine für Aquarien- und Terrarienkunde (VDA) e.V.

Interview mit Herrn Crueger über die Bedeutung der Webarchivierung

Walter Nagel: Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben, mit uns zu sprechen, Herr Crueger. Gerne stellen Sie sich einmal vor und erläutern Sie kurz, warum Ihnen die Webarchivierung so wichtig ist?

Jens Crueger: Sehr gerne! Mein Name ist Jens Crueger, bin 1984 geboren und bin neben meiner Tätigkeit als Präsident des Verbands Deutscher Vereine für Aquarien- und Terrarienkunde (VDA), als Digital-Historiker tätig. Als Digital-Historiker beschäftige ich mich mit der Möglichkeit, auf alte Webinhalte zurückgreifen zu können. Besonders spannend sind da die Webseiten aus den 90 er und 2000er Jahre. 
Die Webarchivierung spielt eine entscheidende Rolle in der Bewahrung unserer digitalen Geschichte. Das Internet ist ein dynamisches Medium, in dem Inhalte ständig erstellt, verändert und oft auch gelöscht werden. Webseiten, die heute noch existieren, könnten morgen bereits verschwunden sein. Durch die Archivierung dieser Seiten stellen wir sicher, dass wertvolle Informationen, kulturelle Inhalte und historische Dokumente für zukünftige Generationen erhalten bleiben. Es geht nicht nur um die Bewahrung von Daten, sondern auch um das Verständnis der Entwicklung unserer Gesellschaft und der digitalen Kultur im Laufe der Zeit.

Walter Nagel: Das klingt sehr interessant! Gab es besondere Herausforderungen, die Sie bei der Archivierung von Webseiten erlebt haben?

Jens Crueger: Ja, definitiv. Eine der größten Herausforderungen ist die Informationssicherheit. Viele Webseiten sind nicht statisch; sie ändern sich ständig oder werden sogar ganz gelöscht. Das macht es schwierig, einen vollständigen und genauen Überblick über die digitale Landschaft zu behalten. Zudem gibt es technische Hürden, wie unterschiedliche Formate und Technologien, die bei der Archivierung berücksichtigt werden müssen. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die ehrenamtliche Arbeit in diesem Bereich. Viele Menschen engagieren sich leidenschaftlich für die Webarchivierung, aber ihre Beiträge werden oft nicht ausreichend gewürdigt. Es ist wichtig, diese Arbeit zu schätzen und zu unterstützen, da sie einen wesentlichen Teil unseres digitalen Erbes darstellt.


Walter Nagel: Welche Rolle spielt die Webarchivierung für die Gesellschaft?
Jens Crueger: Eine sehr große. Webseiten sind Teil unseres digitalen Kulturerbes. Vereine, Unternehmen und öffentliche Stellen liefern über Jahre wertvolle Informationen. Ohne gezielte Archivierung verschwinden diese Inhalte – das betrifft Vereinsgeschichte genauso wie offizielle Dokumente von Kommunen. Gerade in Zeiten von Fake News ist es zudem wichtig, verlässliche Quellen langfristig zu sichern.


Walter Nagel: Gibt es bereits gute Ansätze zur Webarchivierung?
Jens Crueger: Ja, es gibt Institutionen wie die Wayback Machine. Hier kann man mit einigen Lücken und qualitativen Einschränkungen grobe Rückschlüsse aus der Internet-Geschichte ziehen. Aber auch Bibliotheken und Museen setzen sich zunehmend damit auseinander. Dennoch gibt es Lücken – insbesondere in Deutschland. Viele Kommunen und Organisationen unterschätzen die Bedeutung und archivieren ihre Webseiten gar nicht oder nicht systematisch. Hier ist es wichtig, weiter Aufklärung zu betreiben und Angebote zu schaffen, Einrichtungen bei dieser Arbeit zu unterstützen.


Walter Nagel: Haben Sie eine besondere Anekdote zur Webarchivierung, die zeigt, warum sie so wichtig ist?
Jens Crueger: Ja, ein schönes Beispiel ist eine alte Webcam, die ein Aquarium im Gebäude von Netscape zeigte. Diese war eine der ersten Webcams überhaupt und wurde jahrzehntelang gestreamt. Sie diente den Entwicklern dazu, neue Web-Technologien zu testen und war eine Art internes Experimentierfeld. Sie war nach der berühmten Kaffeemaschine der Universität Cambridge die zweitälteste bekannte Webcam im Internet. Die Kaffeemaschine wiederum hatte eigentlich nur die Aufgabe, den Forschenden in einem anderen Gebäude zu zeigen, ob noch Kaffee vorhanden war, ohne dass sie aufstehen und in das andere Gebäude laufen mussten. Solche kleinen digitalen Artefakte erzählen viel über die Kultur und Entwicklung des frühen Webs. Ohne Webarchivierung wären solche Geschichten und digitalen Relikte längst verloren. Solche Geschichten sind nicht nur unterhaltsam, sondern sie helfen uns auch, die Entwicklung des Internets und die damit verbundenen sozialen Veränderungen besser zu verstehen.


Walter Nagel: Was raten Sie Organisationen, die archivieren möchten?
Jens Crueger: Erstens: Nicht nur auf Screenshots verlassen. Besser sind spezialisierte Archivierungsformate wie WARC, die eine spätere Nutzung ermöglichen. Zweitens: Eine möglichst umfassende Speicherung – nicht nur die Startseite, sondern auch verlinkte Inhalte. Drittens: Die langfristige Bereitstellung eigenständig sicherstellen. Ob durch eigene interne Webarchive oder sogar auf öffentlichen Plattformen wie beim Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg. Wichtig ist, dass die Daten auch in Jahrzehnten noch zugänglich sind!


Walter Nagel: Wo sehen Sie die Zukunft der Webarchivierung?
Jens Crueger: Ich hoffe, dass sich das Bewusstsein weiterentwickelt. Wir brauchen mehr staatliche Unterstützung, klare Archivierungspflichten für öffentliche Stellen und ein größeres Engagement von Vereinen und Unternehmen. Nur so können wir das digitale Erbe sichern.


Walter Nagel: Vielen Dank für diese Einblicke, Herr Crueger! Gibt es abschließend noch etwas, das Sie unseren Lesern mit auf den Weg geben möchten?

Jens Crueger: Ich möchte alle ermutigen, sich für die digitale Geschichte zu interessieren und die Bedeutung der Webarchivierung zu erkennen. Jeder von uns kann dazu beitragen, unser digitales Erbe zu bewahren, sei es durch das Teilen von Informationen, das Unterstützen von Archivierungsprojekten oder einfach durch das Bewusstsein für die flüchtige Natur des Internets. Indem wir uns aktiv mit unserer digitalen Kultur auseinandersetzen, können wir sicherstellen, dass zukünftige Generationen auf eine reiche und vielfältige Geschichte zurückblicken können.
 

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